Coaches, die Bösen

Ein Theaterstück nimmt sich dieser Tage dem zunehmenden Beratungsbedürfnis in unserer Gesellschaft an und wirft dabei einen kritischen Blick auf die Coaching-Branche. Lässt sich das Gefühl permanenter Überforderung aufbrechen, lässt sich das allgegenwärtige Hamsterrad stoppen? Und was zeigt sich dem Individuum dann? Sind Coaches in diesem Kontext Taugenichtse oder die wahren Heilsbringer oder irgendwas dazwischen? Finden wir heraus, worum es bei all dem eigentlich geht. Eine Kolumne von Birgitt E. Morrien.

Warum sollten es Coaches leichter haben als andere Berufsgruppen, die sich neu am Markt etablieren mussten. Die Juristen galten in früheren Jahrhunderten lange als überflüssige Abzocker. Die Psychologen bis jüngst milde selbst als Spinner. Und die Coaches, heißt es vielfach, schlagen vor allem Profit aus den beruflichen Malaisen ihrer Kundschaft und der Unbill globaler Verwerfungen im Business.

Das am Kölner Theater im Bauturm inszenierte Stück „Zu spät! Zu spät! Zu spät!“ springt gekonnt auf diesen Zug auf und macht sich die Vorbehalte gegenüber der noch sehr jungen Branche zunutze. Die Regie lässt hier fünf „Selbstoptimierer“ aufeinandertreffen, die die Künste ihrer Arbeit aneinander ausprobieren, weil die offizielle Seminarleitung fehlt. Als Coaching-Profi für mich leicht vorstellbar, dass es da dann ordentlich zur Sache geht …

„Wir erfahren auf ebenso erschreckende wie komische Art und Weise, welche Bedürfnisse permanent unterdrückt oder wegrationalisiert werden müssen, um im Getriebe weiter funktionieren zu können“, so Theaterleiter Gerhardt Haag. Dass daran die Coaches nicht schuld sind, versteht sich von selbst. Womöglich spielen sie vielmehr die Rolle der Kassandra, die auf Missstände aufmerksam macht. Seit Jahren schlagen Coachingverbände wie etwa der DBVC und die DGSv** Alarm, was besorgniserregende Tendenzen zu zunehmender Fremd- und Selbstausbeutung im Beruf betrifft.

Das Theaterstück scheint zu suggerieren, Coaches würden im Unterschied* zu Ärzten ihre Diagnosen nur stellen, um sich schließlich an der Therapie zu bereichern. Dass das im Einzelfall passiert, unter Ärzten wie Coaches, steht außer Frage. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen.

Die boomende Coaching-Branche ist jedoch grundsätzlich ein Signal dafür, dass sich das Bewusstsein für Beratungsbedarf im beruflichen Sektor zu entwickeln beginnt. Für Probleme in diesem Bereich professionelle Hilfe anfragen zu können, ist sicher ein kultureller Fortschritt.

Die Folgen wirtschaftspolitischer Fehlentscheidungen, die zunehmend zu einem kollektiven Burn-out zu führen scheinen, werden weder Ärztinnen und Ärzte noch wir Coaches im Rahmen unserer Arbeit aufheben können. Jedoch können wir an einer Haltung arbeiten, die erlaubt, dass sich das Individuum widersetzt, indem es Nein sagt, wo ein Ja gefordert ist. In Zeiten der Entgrenzung ein radikaler Schritt, sich zu begrenzen.

Das Stück ist für den Kölner Theaterpreis 2013 nominiert.

 

PS: Warum diese Kolumne nicht auch in brandeins zu lesen ist, erklärt Herausgeberin Gabriele Fischer in einer Mail an Birgitt Morrien vom 26.11.2013: "Das Schöne am Blog ist, dass wir was dort steht schon nicht mehr drucken müssen :)".

 

*Anmerkung der Lektorin:
Ich möchte bezweifeln, dass Ärzte immer „selbstlos“ diagnostizieren.

**Deutscher Bundesverband Coaching DBVC
Deutsche Gesellschaft für Supervision DGSv

Mehr Informationen zum Theaterstück:
www.theater-im-bauturm.de (Kartenreservierung: 0221-524242)

Mehr Coaching-Informationen: www.cop-coaching.com

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2 Gedanken zu “Coaches, die Bösen

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