Wovor hast Du Angst?

Mythic Steps (Foto: Pat Bashford)

Birgitt Morrien

Vorhin lese ich: „Wovor hast Du Angst“. Zwei Positionen treffen in einem aktuellen ZEIT-Diskurs aufeinander.

Sie schätzen sich, aber über den Ukraine-Krieg streiten sie. Juli Zeh glaubt, die Waffenlieferungen könnten eine Eskalation wie 1914 auslösen. Thea Dorn entgegnet, zu wenig Härte habe schon 1938 einen Diktator zu noch mehr Gewalt ermutigt. Was mir im Anschluss an die Lektüre durch den Sinn geht: Von den besonderen Aufgaben der Älteren in dieser Zeit.

Ich bin aufgewachsen mit Legenden und Atmosphären der Sprachlosigkeit rund um zwei Weltkriege. Mein Großvater, Soldat im Ersten Weltkrieg, hat mich maßgeblich geprägt. Dessen Sohn, mein Vater, starb an den Spätfolgen schwerer Verletzungen aus dem Zweiten Weltkrieg, als ich fünf Jahre alt war.

Jüngst kommt mir immer wieder ein Satz in den Sinn: Der letzte Sommer. Dem Satz fehlt ein Verb. Also doch eher ein Titel. „Der letzte Sommer“, dachte ich bislang, sei der Titel des neuen Romans unserer Nachbarin Gisa Klönne. Doch der heißt „Für diesen Sommer“, weiß meine Frau auf Nachfrage, da sie das Buch gerade begeistert liest.

Morgen fahre ich zum Seminar: 55+ / Visionen für die späteren Jahre. Unter dem Titel leite ich seit einigen Jahren einmal jährlich am Benediktushof in Unterfranken ein Gruppen-Coaching. Menschen meines Alters ahnen, wenn sie es zulassen, das eigene Leben sich dem physischen Ende langsam zuneigen. Sich für die bleibende Lebenszeit neu auszurichten ist vielen ein Grundbedürfnis.

Dass wir alle ohnehin beizeiten „zu Grunde“ gehen, ist Gewissheit. Doch ist begraben werden ja so etwas wie pflanzen. Wir legen den Samen in die Erde, decken ihn zu, und weiter geht das Leben. Einfach so. Ein Wunder. Mich selbst und andere daran zu erinnern, ist womöglich mehr denn je meine Aufgabe in diesem Frühjahr.

Vielleicht ist die uns Älteren zugewiesene Aufgabe vor allem die, Wege durch die Angst zu weisen, die uns ergreift, wenn wir daran denken, uns buchstäblich in Luft aufzulösen. Dieser Angst sehenden Auges zu begegnen, ihr nicht auszuweichen, tut not, um besonnen handeln zu können. Gerade jetzt, wo wir auch hier kollektive Bedrohungen durch Klimawandel und Kriegsgefahr noch bewusster wahrnehmen.

Es gilt, der Angst vor dem Sterben nicht auszuweichen, diese vielmehr anzunehmen und so aufzulösen. Dieses Vorgehen bewahrt uns davor, dem schrecklichen Leid, mit dem dieser Krieg uns durch die Medien und durch Berichte von Geflüchteten konfrontiert, weder mit Abwehr noch im Affekt zu begegnen.

Es braucht Wegweisende, die sich den Kreisläufen des Lebens bereits bewusst gestellt haben, um – unter allen Umständen – weise Entscheidungen und kluges Handeln zu begünstigen. Uns Ältere sehe ich hier in besonderer Weise in der Pflicht.

 

 

Inspired by COP-Coaching: #DreamGuidance für sinnstiftende Karrieren

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