Am Sonntag wird mit dem Rad spazieren gefahren. Am Rhein entlang. Heute einmal Richtung Mülheim. An der Ampel steht ein schönes Cabriolet. Darin zwei Männer, Dreißigjährige, hübsch zurechtgemacht. Vor ihnen überqueren zwei Frauen den Fußgängerüberweg Straße. Davon eine mit Kinderwagen. Kaum sind die beiden auf der Mitte angelangt, beginnen die beiden Männer zu johlen. Und ihre eindeutigen Gesten zeigen, was sie zu gern mit ihnen täten, wenn es nur ginge. Schnell ginge. In jeder Hinsicht. Hart. Knallen zwei Hände aufeinander. Im Stakkato. Die Frauen sind auf der anderen Seite angekommen. Und gehen weiter. Wie ungerührt.
Ich stehe da und sehe mir alles an. Das ist Alltag. Auch an einem Sonntag am Rhein. Und fahre weiter. Wir sind zu zweit. Trinken Kaffee gemütlich in einem netten Szenecafé. Viele Elternpaare. Junge Frauen mit Kinderwagen. Bärtige Väter an ihrer Seite. Auf den Schultern noch ein Kleines. Die Sonne scheint. Es ist Frühling. Es weht ein leichtes Lüftchen durch Mülheim. Es ist, als wollten alle einfach einmal aufatmen.
Der Kaffee schmeckt wunderbar, auch der Bagel, für den wir uns entschieden haben. Sitzen wir noch ein Weilchen und radeln dann aufs Geratewohl weiter. Durch die Straßen dieses Veedels wie durch eine andere Stadt. Baustellen und Industriekultur. Und landen unverhofft, doch wie geplant im Harbour Club. Wo eine Kunstausstellung im Begriff ist zu enden und wir ganz glücklich sind, noch einen letzten Streifzug hindurch machen zu können.
Da steht sie plötzlich vor mir. Auf einem großen Bild. Hinter ihr der Kinderwagen, ganz allein gelassen. Die Kalaschnikow geschultert, den Blick fest auf den schicken Wagen gerichtet, der vor ihr steht. Die Ampel seh ich nicht. Höre nur noch das atemberaubende Stakkato ihrer Schusswaffe und ein stöhnende Röcheln.
Die Autorin:
Coach und Chant Morrien verbindet Mystik und Marketing
Bildmotiv:
ÁGNES LÖRINCZ wurde in Székelykeresztúr (Transsilvanien, Rumänien) geboren. Studium an der Universität für Kunst und Design Cluj-Napoca (Klausenburg, Rumänien). Sie lebt und arbeitet in Berlin.
Ágnes Lörincz zitiert in ihren Malereien Ausschnitte aus Mode, Werbung und Nachrichten, die sie, mit Dekostoffen kombiniert, in neuen Kontext stellt. Durch die Gegenständlichkeit scheint man sie schnell erfassen zu können, doch Lörincz kreiert mehr als das Augenscheinliche. In ihren Bildern folgen Verhaltensregeln einem Dresscode, der beeinflusst und manipuliert. Schönheitsideale,
Frauen mit perfektem Körper und roten Lippen stellt die Künstlerin auf eine Ebene mit Portraits von Politikern oder Bildern aus den Nachrichten. Uns wird ein Lifestyle verkauft, eine Botschaft, die in der Politik ebenso wenig Bestand hat wie in der Werbung; eine ästhetische, gut vermarktete Täuschung.
Das Prinzip der Täuschung findet man bei Lörincz auch auf anderer Ebene, denn ihre Malereien entpuppen sich auf den zweiten Blick als Collage. Sie integriert Dekostoffe so geschickt, dass die Übergänge zwischen Gemaltem und Geklebten fließend, die beiden Ebenen kaum voneinander zu unterscheiden sind.
Die Wirkung der Bilder ändert sich, wenn man nah heran geht, wenn man genau hinschaut, so wie die Geschichten, die sie erzählen. In ihren Tapetenbildern werden die Protagonisten eins mit dem Hintergrund, scheinen in der Struktur zu verschwinden und heben sich wiederum doch von ihr ab.
Dieses Zusammenspiel von Oberfläche und Oberflächlichkeit ist ein wichtiger Aspekt ihrer Arbeit. Letztendlich thematisiert Ágnes Lörincz die Uniformisierung unserer Gesellschaft und entlarvt mit ihrem Werk die schöne Welt der schönen Bilder als grosses Vakuum.
Zur Wuppertaler Ausstellung erscheint ein Katalog.
Galerie KUNSTKOMPLEX
Hofaue 54 | Wesendonkstr. 12 D-42103 Wuppertal
fon +49 202 39 31 24 94 info@kunstkomplex.net www.kunstkomplex.net
Inhaberin: Nicole Bardohl
ÁGNES LÖRINCZ /// DERNIER CRI
17. April bis 20. Mai 2015
Vernissage 17. April ab 20h
KOMMENDE AUSSTELLUNG mit AGNES LÖRINCZ
10 April. – 21.Juni | Stoffwechsel | Museum im Kleinhues-Bau, Stadt Kornwestheim
GERADE GELAUFEN
KÖLNER LISTE 15. – 19. April 2015 | Dock.One Köln
Literaturtipps:
Lerner, Gerda: Die Entstehung des Patriarchats.
Korbik, Julia: Stand up – Feminismus für Anfänger
Korbiks Weblog: Frau Korbik – Feministmus und Phänomen des Alltags
Morrien, Birgitt: #Hollaback. Respekt!
Sinnstiftende Karrieren
Morrien, Birgitt: Wie berufliche Visionen Wirklichkeit werden. Coaching mit DreamGuidance