Hauptschlüssel für Konfliktlösungen

Wie Güte* wirksam Konflikte löst, indem sie den Geist im Augenblick drohender Verengung weitet. Eine Erkenntnis, gewonnen aus meiner Beschäftigung mit den Erfahrungen eines isländischen Kartoffelbauern.

Von einer isländischen Autorin ließ ich mir im Urlaub die Geschichte eines verzweifelten Priestersohnes erzählen, der nächtens artige Kartoffelfelder mit dem Geländewagen seines Vaters schlimm verwüstet hatte. 

Ein alter Bauer entdeckte den Schaden am nächsten Morgen auf dem Weg zur Frühmesse. Er hielt an und stopfte sich entgegen seiner sonntäglichen Pläne eine Pfeife. Dann schritt er ruhig rauchend umher und besah er sich den Schaden.

Nach einer Weile holte er aus einem angrenzenden Feldschuppen Eimer und Schaufel, um nach und nach Glasscherben einzusammeln, umgeknickte Zäune aufzurichten und das Erdreich neu umzuschaufeln. 

Als der Kirchturm bereits zehn Uhr anzeigte und seine Messe längst vorüber war, sah er auf dem Feldweg von weitem den Wagen seines Sohnes auf sich zukommen. „Wer zum Teufel war denn hier am Werke?!“, fragte dieser seinen Vater wütend.

„Bestimmt jemand, dem es nicht gut ging!“ antwortete der Alte lakonisch und ließ den Jungbauern stehen, um den Eimer mit Scherben auf den Wagen und die Schaufel in den Schuppen zurückzustellen. „Hier ist wieder alles in Ordnung.“

Gunnarsdottir beendete hier für mich ihre Geschichte, und ich war froh zu hören, wie es der alte Bauer durch gütiges Verständnis für die Gegenseite schaffen konnte, in seinem Empfinden, Denken und Handeln unabhängig zu bleiben.

Dank der Weite seines Geistes legt der Alte selbst die Parameter fest, nach denen der von ihm vorgefundene Schaden zu beurteilen ist. Danach ist das Wüten als verzweifelter Ausdruck eines Unbekannten zu werten, dem Verständnis gebührt.

Zu keinem Augenblick erlaubt es der Alte den Umständen, von ihm persönlich Besitz zu ergreifen. Es gelingt ihm, sich emotional nicht gefangen nehmen zu lassen von einer Fixierung auf Wut und Ärger. Stattdessen gewahrt er Gelassenheit.

Von gewöhnlichen Machtspielen, die Abhängigkeit wollen und Gewalt begünstigen, lässt er sich nicht dominieren. Der alte Mann hat sich durch seine Güte davon befreit. Seine Haltung gibt mir eine gute Richtung.

  

 

Inspiriert durch
Elin Ebba Gunnarsdottir: „Jener Sommer in Island“ , edition suhrkamp 2000, Band 2163. Prämiert mit dem Tomas-Gudmundsson-Literaturpreis.

 *gütig sein i.S. des Mittelhochdeutschen „hilfreich und verzeihlich“

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