Aktivitäten-Killer: Tun isst Fühlen

Zufällig lese ich rechtzeitig zum Wochenbeginn bei einem indischen Kollegen diesen Ausspruch: „Die Trägheit des westlichen Menschen besteht darin, dass er sein Leben derart mit fieberhafter Aktivität anfüllt, dass ihm keine Zeit mehr bleibt, sich mit den wahren Fragen auseinanderzusetzen.“ (Sogyal Rinpoche)

Diese kleine Erinnerung bringt mich dazu, die Woche nicht gleich mit Telefonaten und E-Mails zu beginnen, sondern mir zu erlauben, diesem Gedanken zumindest für einen Augenblick Raum zu geben. Und zwar genau an dem Platz, der oft meine ganze Aufmerksamkeit beansprucht: am Schreibtisch.

Also lasse ich das Tun noch einen Augenblick ruhen und widme mich dem, was dann auftritt: dem Gefühl. Egal welchem. Vielleicht Traurigkeit darüber, dass Momente des Innehaltens an diesem Platz so selten sind. Aber auch schalkhafte Genugtuung darüber, einem David gleich, Goliath überrumpelt zu haben. Diesen mächtigen Arbeits-Vielfraß.

Die Gunst des Augenblicks nutzen, um sich daran zu erinnern, worum ich kürzlich jemanden besonders beneidet habe: Zeit zu haben! Zeit fürs Schreiben, für ein interessantes Seminar oder für einen besinnlichen kollegialen Spaziergang. Und dieser Spur nachgehend beschließe ich, mir einen Tag die Woche genau dafür zu reservieren.

Zur Sicherung der Qualität meiner Arbeit – und vor allen Dingen der Freude daran – scheint mir dies ein guter Entschluss zu sein. Zumal Beratung nur dann glaubhaft ist, wenn ich als Coach selbst umsetze, was ich meinen Coachees gern empfehle: Auszeiten zu beachten. Weniger als Luxus denn als notwendige Neujustierung der Aufmerksamkeit, dieses mächtigen inneren Radars.

Diesen inneren Radar längere Zeit nicht bewusst zu steuern und regelmäßig neu auszurichten, ist gefährlich. Solche Unterlassung öffnet Aufmerksamkeits-Räubern aller Art Tür und Tor. Die Schwächung des eigenen Systems folgt unweigerlich als Erschöpfung oder Entscheidungsschwäche. Um das zu verhindern, ist Selbst-Besinnung notwendige Aufgabe all derer, die sich selbst und andere führen.

Ein Gedanke zu “Aktivitäten-Killer: Tun isst Fühlen

  1. Liebe Birgitt,

    deine Blogger-Seite ist abenteuerlich gut. Habe jetzt schon eine ganze Weile gelesen und es ist immer noch spannend. Besonders gefällt mir “Aktivitäten-Killer. Tun isst Fühlen.” Werde immer wieder hereinschauen.

    Mach’s gut! Jutta

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