Über eine haarige Sache

Mit Hut geht’s gut / Birgitt Morrien 2023 (Foto: Tom Haensgen)

Birgitt E. Morrien

Diagnostische Exkursionen

Meine Haare sind in den letzten Jahren dünner geworden. Leider. Das hat wohl mit den Hormonen zu tun. In der Mitte des Lebens oder danach beginnen wir offenbar, uns sukzessive zu verdünnisieren. So scheint mir das.

Dabei denke ich vor allem über die Haarfrage nach. Was kann ich da machen, rätsele ich. Und weil ich keine Antwort habe, gehe ich natürlich zu medizinischem Fachpersonal. Da sitze ich vor meinem Doc, der mich freundlich ansieht und fragt, wie er mir helfen kann.

„Die Haare“, sage ich nur und zeige auf meinen Kopf. „Die werden weniger und dünner“, sage ich. „Was kann ich dagegen tun?“
Er nickt nachdenklich und da sehe ich sein schütteres Haar. Und das in dem Alter, denke ich, während seine 13 Fronthaare fröhlich mit seinem nickenden Kopf auf und ab wippen. Der Mann ist glatte 10 Jahre jünger als ich.

„Zu wem gehen Sie eigentlich?“, fragt es da gedankenversunken aus mir heraus. Er stutzt und weiß nicht, was ich meine. Ich zeige nur auf seinen Kopf und wiederhole meine Frage in neuem Wortlaut: „Von wem lassen Sie sich da eigentlich helfen?“

Mein Doc ist ein durchaus feinsinniger und einfühlsamer Geist. Er lächelt mir gütig zu und sagt, dass das für ihn kein Problem sei.
„Aha“, sage ich.
„Aber ich kann verstehen, dass es das für Sie ist“, sagt er.

Ich muss zugeben, dass ich mich in dem Moment etwas uncool fühle und mich frage, warum ich mir so einen Kopf um meinen Kopf mache. Drinnen funktioniert doch nach wie vor alles tadellos.

Therapeutische Versuche

Mein Doc ist offen für meine Vorschläge, und so bitte ich ihn, meine Vitamin- und Mineralstoffwerte zu testen, anhand deren womöglich erkennbar ist, wo’s fehlt. Und dann sieht man weiter.

Nun denn. Eine Woche später wirft er mir nett, wie er ist, die tadellosen Testergebnisse zu Hause in den Briefkasten. Er wohnt gleich ums Eck und möchte wohl, dass ich die gute Nachricht schnell erfahre.

Es fehlt mir an nichts. Da ist guter Rat teuer, denn die Sache mit den weniger und dünner werdenden Haaren ist nun mal ein Fakt. Mein Doc rät, den Hormonspiegel testen zu lassen.

Gesagt, getan. Leider ist meine Frauenärztin für einige Wochen im Urlaub. Doch bei ihrem Kollegen, der sie vertritt, gibt es schon wenige Tage drauf einen Termin für die Angelegenheit.

Noch so ein freundlicher Herr, den ich mich allerdings nicht zu fragen traue, was ihn bewogen hat, diese Berufssparte zu wählen. Urologin zu werden käme mir umgekehrt tatsächlich nicht in den Sinn.*

Aber das ist ja auch nicht unser Thema. Hier geht es um mein Problem. Und wie es der Zufall will, nickt mir auch dieser Mann, geschätzte 20 Jahre jünger als ich, mit doch sehr lichtem Haupthaar freundlich zu.

Und in diese Freundlichkeit hinein frage ich ihn nun, weil aufrichtig interessiert, wie er mit dem Problem umgeht, und zeige auf seinen Kopf. Oha, da rollt er auf seinem Bürostuhl rücklings gegen die Wand.

„Das ist für Männer kein Problem“, sagt er geradezu empört. „Für Männer ist das normal!“ In seinem Blick, der mich dann trifft, ploppt die Gewissheit auf, dass es mir eher im als auf dem Kopf fehlt.

Um die etwas unglücklich verlaufende Unterredung auf eine neue Schiene zu setzen, äußere ich, einen Hormontest machen lassen zu wollen. Er zögert und fragt mich, welches Hormon mir denn fehle.

Mein Blick verrät ihm daraufhin sicher, dass ich an seinem Sachverstand, mindestens aber an seinem guten Willen zu zweifeln beginne.

Woraufhin er konstatiert, mir fehlten vermutlich Eisen und das Spurenelement Serotonin. Das ist, was es braucht, ist er entschieden. Und ich bin entschieden, meinen Hormontest zu kriegen.

Ich bleibe beharrlich in der haarigen Sache. Mit Erfolg! Auf die Ergebnisse des Hormontests bin ich gespannt. Mit dem Rezept für ein Eisenpräparat war ich nicht in der Apotheke. Stattdessen habe ich dem Arzt die Vitamin- und Mineralstoffanalyse gemailt. An Eisen fehlt’s mir demnach nicht.

 

*Zugleich bin ich froh darüber, dass es auch Urologinnen gibt.

 

Literaturtipps zu einem leidigen Thema:

Prof. Dr. Michaela Döll: Frauenherzen schlagen anders

Caroline Criado-Perez: Unsichtbare Frauen

Zitat aus der Veröffentlichung: Stell dir eine Welt vor, in der dein Handy zu groß ist für deine Hand, in der dein Arzt dir die falschen Medikamente verschreibt und in der die Wahrscheinlichkeit, dass du bei einem Autounfall schwer verletzt wirst, 47% höher ist als für eine andere Bevölkerungsgruppe; eine Welt, in der du jede Woche unzählige Stunden unbezahlt arbeitest. Wenn dir das alles bekannt vorkommt, dann bist du wahrscheinlich eine Frau. 

Birgitt E. Morrien: PUMA schützt vor Operation ohne Befund

 

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