Woelki geht, Kardinälin kommt

Lukrezia O. Birnbach

Der Traum einer Kreativen brachte den Stein viral ins Rollen: Ihr erschien mit Lukrezia O. Birnbach eine renommierte Theologin als Päpstin. Zwar war der Beträumten die ihr zugedachte Rolle auf Nachfrage eine Nummer zu groß, doch als Kardinälin die Nachfolge Woelkis anzutreten, erklärte sie sich spontan bereit. So wie der ihr gleichaltrige Biden in der Krise für die Demokratie der USA stehe, sei sie willens, am Wendepunkt für eine gerechte und glaubhafte Kirche einzustehen.

Traumhafte Karriere: Die Kardinälin

Muss Kardinal Rainer Maria Woelki doch noch seinen Stuhl räumen, nachdem die Praxis des Machtmissbrauchs durch sexualisierte Gewalt im Erzbistum Köln und der Umgang der Kirchenführung damit im Rahmen eines Gutachtens veröffentlicht wurden? Falls ja, ist dies der richtige Zeitpunkt für eine dringend erforderliche grundlegende Erneuerung starrer entseelter Strukturen:

Die Ernennung einer Kardinälin kann die tief erschütterte Glaubwürdigkeit der Integrität der Kirchenführung (nicht nur) im Erzbistum Köln wiederherstellen. Durch diesen revolutionären Schritt signalisiert der Vatikan die Bereitschaft dazu, den strukturellen Machtmissbrauch zu beenden, der Frauen seit jeher von allen Weiheämtern und führenden Ehrenämtern wie dem der Kardinäle ausschließt.

Zur Führung befähigte Frauen gibt es auch in der katholischen Kirche reichlich, dafür steht Maria 2.0, auch wenn diese Frauen für höchste Ämter bisher notorisch ignoriert werden. Nun stellt sich in Ruth Spillers* Vision mit Lukrezia O. Birnbach eine ebenso populäre wie geeignete Kandidatin für das hohe Amt zur Verfügung.

Zwar bekleidet die emeritierte Professorin für gendergerechte Theologie keinerlei Kirchenamt, ist jedoch mit allen theologischen Fragen bestens vertraut. Die in Köln lebende Kardinälin in spe hat mehr als zwanzig Jahre in Cambridge am Harvard Institute of Spiritual Studies geforscht und gelehrt.

Ringen um den rechten Glauben

Was zunächst scheinbar gegen Birnbach spricht, könnte sich jedoch in Zeiten großer Verunsicherung und Verzweiflung als ihr größtes Pfund erweisen: Gleich zweimal ist Birnbach aus der römisch-katholischen Kirche ausgetreten. Einmal wegen der institutionell tief verankerten Misogynie, die sich traditionell etwa im Ausschluss der Frauen aus allen wesentlichen (Ehren-)Ämtern dokumentiert.

Ferner empörten Birnbach die wiederholt homophoben Dekrete der Kirchenführung, die die seit vierzig Jahren in einer Frauenpartnerschaft lebende Mutter von zwei Söhnen und Großmutter von vier Enkeltöchtern als zutiefst menschenverachtend empfindet.

Das Ringen um den rechten Rahmen für ihre unerschütterlich tiefe Religiosität begleitet die 78-Jährige zeit ihres Lebens. Eben dieses Ringen macht sie nun glaubwürdig, wenn es darum geht, die wachsend große Zahl Suchender und Zweifelnder abzuholen, die zurzeit gleich in Strömen die katholische Kirche verlassen.

Für die Aufgabe der Kardinälin wäre Birnbach ggf. bereit, der römisch-katholischen Kirche, die sich neu formieren muss, wenn sie überleben will, eine dritte Chance zu geben. Denn eine Zukunft hat diese Kirche wohl nur, wenn sie Recht vor Macht(-Missbrauch) gelten lässt.

Peter von Lamm-Pfromm
im Verbund mit Birgitt E. Morrien

 

*Ruth Spiller versteht sich als Spezialistin für kreative und künstlerische Potenzialentfaltung.

 

Kommentare und ergänzende Informationen

„Ein anregendes Gedankenspiel zweifelsohne, zumal Kardinälinnen in der Kirche theoretisch denkbar wären. Da gibt es sogar eine relativ ernsthafte theologische Diskussion, weil die Zugangsvoraussetzungen erst in den 1950er Jahren so geändert wurden, dass Frauen ausgenommen sind – ließe sich also vergleichsweise einfach realisieren.“
Joachim Frank, Vorsitzender der Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands; Chefkorrespondent der DuMont Mediengruppe und Mitglied der Chefredaktion beim „Kölner Stadt-Anzeiger“

„Für die Institution genügt eine Reform(ation) schon lange nicht mehr, hier bedarf es einer Revolution, die an die Grundfesten geht, angefangen bei der Unfehlbarkeit des Papstes über sexistische Dogmen bis hin zu einer Sexualmoral, die eben ins kriminelle Kraut schießen ließ, was nun zwischen grauen Pappdeckeln lagert.“
Ulrike Baureithel bezieht sich damit im „Freitag“ vom 25.03.2021 auf „das von Rainer Maria Woelki als ‚rechtswidrig‘ eingeschätzte Gutachten zu den jahrzehntelangen sexuellen Übergriffen im Erzbistum Köln, das nur einer kleinen Öffentlichkeit von Betroffenen und Medienvertreter:innen zugänglich gemacht wird“.

„Mit diesem ebenso satirisch frechen wie heiligen Beitrag wird nicht nur der Kölner Amtskirche ein dickes Ei ins Osternest gelegt. Ich finde das erfrischend und intelligent. Der Beitrag steht für einen gleichermaßen unschuldigen wie verantwortlichen Sand im Getriebe der patriarchalen und klerikalen Mühlen. Absolut glaubwürdig, absoluter Stein des heilsamen Anstoßes. Erleichterte und bestätigende Zustimmung ist diesem gewiss. Mediales Sperrfeuer allerdings auch.
In Zeiten ungezügelter und entgrenzter medialer Hassattacken, persönlicher Bedrohungen und öffentlicher Schmähungen und Angriffe allerdings wird mir ein wenig bang. Was im Netz ist, ist im Netz. Für immer. Der Grat zwischen verwirklichter Berufung und riskierter öffentlicher Demütigung infolge gekränkter Eitelkeiten ist ja oft schmal. Möge Lukrezia O. Birnbach behütet und beschützt sein!“
Dr. B. Branden-Baum

 „Die Montage wirkt sehr überzeugend und zugleich attraktiv. Sie bietet damit die Chance, eine starke Projektionsfläche für die Wünsche und Hoffnungen all derer zu werden, die entweder schon lange oder erst seit den jüngsten Gutachten-Skandalen besonders in Rage sind und sich nicht abkehren, sondern eine neue Kirche wollen.“
Christopher Patrick Peterka, Prognosefuturist, Förderer von eiei.art

 

Interview

Die Bekenntnisse der ersten katholischen Bischöfin im TV-Coaching
Es braucht nur den gebündelten Willen der 50 Premiumverteiler:innen, der Prophet:innen im Netz, um ein System zu stoppen, das weibliche Karrieren systematisch verhindert. Das sozial-digitale Schneeballsystem übernimmt dann den Rest. Die Geschichte einer Emanzipation von überlebten Strukturen am Beispiel der Katharina Steinberg, erste Bischöfin an der Kathedrale zu Köln. —
Die Erstveröffentlichung des Interviews, das in 2026 angesiedelt ist, datiert von 2006. Spannend, 15 Jahre später zu lesen, was sich seither (nicht) getan hat.

 

Sinnstiftende Karrieren: Mehr als ein halbes Hundert Fallgeschichten bzw. Erfahrungsberichte aus erster Hand

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