Weizsäcker und ich, ganz wichtig

Ein Ort der Entspannung

Birgitt Morrien

Als mich die Meldung erreichte, der ehemalige Bundespräsident sei gestorben, kam mir bezeichnenderweise sofort ein Foto in den Sinn, das Weizsäcker und mich im Gespräch zeigt. Der Gedanke war schnell vergessen, bis ich anderntags viele Fotoveröffentlichungen sah, die Herausgeber großer Zeitungen ebenso wie den Bäckermeister von nebenan mit dem Staatsmann abbildeten. Auf teils sehr alten Aufnahmen, doch stolz.

Wie peinlich, dachte ich sofort, sich mit diesem Mann brüsten zu müssen. Diese offensichtlich narzisstisch motivierte, um Selbstaufwertung ringende Attitüde berührte mich unangenehm. Dennoch begann ich sogleich in meinen Fotoarchiven nach der Aufnahme zu suchen, die dokumentiert, dass ich ebenfalls mit dieser zeitgeschichtlich fraglos wichtigen Persönlichkeit bekannt war. Bekannt, nun ja, sagen wir, ihm einmal begegnet bin. Immerhin würdig, mit ihm ins Gespräch gekommen zu sein.

Backstage mit Prominenten
Wenn ich sagen sollte, worüber wir bei dieser Gelegenheit gesprochen haben, ich weiß es nicht mehr. Womöglich über sein damals neues Buch „Machtspieler*“, mit dem er als prominenter Gast zu einem internationalen Wirtschaftsforum eingeladen war. In meiner Rolle als Journalistin hatte ich Zugang zur Backstage und damit die Möglichkeit, jene Referentinnen und Referenten zu interviewen, die mich interessierten. Eine wunderbare Gelegenheit, sich von prominenten Zeitgenossen einen persönlichen Eindruck zu machen.

Da ich frei war von der Bürde des Auftragsschreibens, verfolgte ich mit meinen Gesprächen ganz eigene Interessen. Als schreibende Beraterin unterhielt ich mich etwa mit Theo Waigel über das Drama seiner verpatzten Karriere. Wie ich erfuhr, hatte er seinen frühen Traum, Landrat zu werden, leider nicht umsetzen können. Und mich interessierte natürlich, wie es dem ehemaligen Finanzminister gelungen war, sein Scheitern zu verarbeiten. Ein Leben als Landrat hätte ihm schließlich sicher mehr Zeit für Freunde und Familie gelassen.

Mit Birgit Breuel sprach ich über die seinerzeit bevorstehende Expo 2000, deren Generalkommissarin sie war. Ob nicht die Kunst des lösungsorientierten Visionierens in globalen Zeiten einen eigenen Pavillon verdient hätte, wollte ich von ihr wissen. Gewissermaßen als Metaklammer für alle anderen Bereiche und Themen. Und sie war durchaus nicht abgeneigt, diese Anregung mit in ihre Arbeit zu nehmen, woran ich meine Freude hatte. Ich befand, es könne schließlich nicht schaden, international agierende Persönlichkeiten für wegweisende Ideen zu begeistern.

Aber was ich mit Weizsäcker besprochen habe, will mir nicht mehr einfallen. Vielleicht war es einfach zu banal. Und womöglich war es mir viel wichtiger, gut dazustehen, während mein Fotograf versuchte, mich in günstiger Pose einzufangen, was ihm gelungen ist. Der Staatsmann jedoch, so meine Erinnerung, schaut auf dem Foto eher etwas grimmig drein. Womöglich habe ich ihn mit meiner Fragerei nach seinen Lebensträumen genervt. Ob er befürchtete, er müsse sich mir gegenüber nun selbst als passionierter Machtspieler outen?!
Wie auch immer, fest steht, über Grandezza verfügte der Mann fraglos, aber die Offenheit eines Theo Waigel für das Spiel mit den Möglichkeiten der (Selbst-)Ironie schien ihm eher fremd.

Vom Wichtigseinwollen
Zwar ist das Foto meiner Begegnung mit Weizsäcker verloren. Doch die Erinnerung daran konnte ich mit diesem Text noch einmal aufleben lassen. Auch daran, dass das Foto dieser besonderen Begegnung jahrelang im Arbeitszimmer eines befreundeten Kollegen hing. Immerhin konnte er so suggerieren, mit mir eine Person zu kennen, die Staatsmänner kennt.
Ach, wie gern wir doch alle wichtig sein wollen. So richtig anerkannt, vermutlich nur, um uns schließlich doch irgendwie liebenswert zu fühlen. Einfach so.

 

 

*"Machtspieler".
Unter diesem Titel fand die Lektorin leider keine Veröffentlichung. Jedoch ist sich die Autorin sicher, diese Veröffentlichung sei seinerzeit bei Econ unter eben diesem Titel erschienen. Sobald das verschollene Foto wieder auftaucht, wird sie den Beweis dazu erbringen. Denn auf der Aufnahme hält Weizsäcker das Buch in Händen, für die Kamera gut sichtbar, so Morrien.

Veranstaltungshinweis der Autorin: Scherben bringen Glück: Morrien@Exhibition (Katalog zur inzwischen beendeten Ausstellung)

 

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