Karolin Küntzel
Coaching für die Karriere – aber sicher! Coaching im Alter? Fragezeichen.
Ein Besuch in Hamburg bei Harriet von Bohr im April 2014
Unser erster Kontakt fand am Telefon statt. Sie wusste sofort, wer ich war, und hatte meinen Anruf schon erwartet. Ich stellte mich vor, sprach mit ihr über das geplante Interview und wir vereinbarten schließlich einen Termin. Ein paar Wochen später fuhr ich nach Hamburg, um sie zu treffen.
Aussicht auf eine spannende Begegnung
Neugierig und ein bisschen aufgeregt saß ich in der Bahn. Zwar hatte ich mich in die Coaching-Unterlagen von damals eingelesen und Fragen vorbereitet – doch was mich erwarten würde, wusste ich nicht. Würde sich meine Vorstellung von Harriet, die auf Aufzeichnungen und einer Stimme am Telefon beruhte, mit dem Original in Deckung bringen lassen? Wie würden sich zwei Frauen begegnen, die sich fremd waren, aber vorhatten, persönliche Themen – Entscheidungen, Lebens-Wendungen und deren Folgen – zu besprechen?
Spontane Sympathie
Als Harriet mir mit dem Transportlift entgegensinkt, sehe ich zuerst nur ihre Füße in den Filzpantoffeln. Mit dem Sinken des Liftes, Stückchen für Stückchen, wird mehr von ihr sichtbar: die Hosen, der Saum der Strickjacke … und dann beugt sie sich bereits herunter und schaut unter der trennenden Wand hervor und strahlt über das ganze Gesicht. So muss es bei „Herzblatt“ gewesen sein, wenn die Kandidaten sich zum ersten Mal sahen.
Bis sich die Lifttür öffnet und Harriet mir beide Hände zur Begrüßung entgegenstreckt, ist schon entschieden, dass wir uns sympathisch sind. Wenig später sitzen wir uns bei einer Tasse Tee in ihrer Wohnung gegenüber und unterhalten uns über die Coaching-Sitzungen bei Birgitt Morrien und die Veränderungen, die sich daraus ergeben haben.
14 Jahre sind seitdem vergangen und nicht mehr jedes Detail der Begegnungen ist ihr präsent. Ich gebe ihr die abgetippten Aufzeichnungen von damals zu lesen. Die Erinnerung kehrt zurück und an einigen Stellen lacht sie – so erfreut, als würde sie alte Bekannte treffen.
Rückblende: Coaching mit 72
Ende 2000 findet Harriets erste Coaching-Sitzung bei Birgitt Morrien statt. Zu diesem Zeitpunkt ist sie 72 Jahre alt und auf der Suche nach einer Verdienstmöglichkeit, die ihre Rente aufbessern und ihr Spaß machen würde. Außerdem bewegt sie die Frage, wie sie zusammen mit anderen Frauen in Zukunft wohnen und sich vernetzen könnte. Wertschätzung, sich selbst und anderen gegenüber, wie auch der Umgang mit Ansprüchen bilden weitere Themenkomplexe. Mit Methoden des DreamGuidance-Coachings werden diese Themen in den nächsten fünf bis sechs Sitzungen behandelt.
Neue Perspektiven entwickeln
Am Anfang steht die Frage nach der eigenen Identität. Harriet vermerkt auf ihrem Übungsblatt zur Selbstreflexion, dass sie sich zwar grundsätzlich mit sich selbst wohlfühlt, an ihrem Alleinleben aber etwas ändern möchte. Trotz eines guten Netzwerks von Freunden und Familie wünscht sie sich ein Leben in eigener Wohnung innerhalb einer Frauen-Wohngemeinschaft. Ihr Hauptziel ist, so lange wie möglich finanziell und körperlich unabhängig zu sein. Sie treibt Sport und interessiert sich für Kultur und die Arbeit am Computer.
In den nächsten Sitzungen wird der Frage nach neuen Verdienstmöglichkeiten weiter nachgegangen. Welche Dienstleistungen (Hundeausführen, Botengänge, Vorlesen) möchte sie welcher Zielgruppe anbieten? Zusätzliche Impulse und Klarheit sollen geführte Tagträume und eine Berufsfeldanalyse geben. Harriet hat eine abgeschlossene Ausbildung als Medizinisch-Technische Assistentin. Dieser Beruf kam ihrem Wunsch, Medizin zu studieren, am nächsten. Ihre Lebensumstände (Krieg, Flucht, frühe Heirat, die Geburt der drei Kinder und die überschaubaren finanziellen Mittel) ließen ein Studium damals nicht zu. Wieder in ihrem alten Beruf zu arbeiten, kommt für sie nicht infrage, da sie viel zu lange ausgesetzt hat und sich viele Abläufe und Techniken geändert haben.
Auch in den nächsten Sitzungen geht es um neue Perspektiven in beruflicher Hinsicht. Auf das von ihr entwickelte Dienstleistungsfaltblatt hat es keine Resonanz gegeben und sie fühlt sich blockiert, was ihre Möglichkeiten angeht. Birgitt Morrien schickt sie auf Tagtraumreisen, lässt sie Bilder dieser Traumerfahrungen malen, Gefühle benennen und eine Rede an ein imaginiertes Publikum halten. Damit ebnet sie den Weg, intuitive Lösungsansätze und einen neuen Umgang mit den alten Fragen zu finden.
Mehr Klarheit
Beim nächsten Termin wird deutlich, dass Harriet sich nicht festlegen möchte. Stattdessen will sie die Freiräume, die sie seit Beginn der Rente hat, nutzen. Inzwischen besitzt sie einen PC, an dem sie einen Flyer erarbeitet und im Internet nach einem Frauennetzwerk sucht. Sie überlegt außerdem, eine Ausbildung zu beginnen, die ihr Spaß macht. Etwas ist in Bewegung geraten, denn ein paar Wochen später erzählt sie, dass sie sich nicht nur für einen PC-Kurs an der Volkshochschule angemeldet hat, sondern inzwischen auch viele Unterstützungsangebote anderer Frauen bekommt, die ihr mit dem Rechner helfen möchten. Sie fühlt sich angenommen und in ihrem Selbstempfinden bestärkt. Harriet zieht für sich aus dem Coaching das Fazit, dass sie nach vielen Irrungen und Wirrungen nun ihren Weg gefunden hat.
Ortswechsel
Ein Jahr nach dem Coaching bei Birgitt Morrien packt Harriet ihre Koffer und zieht nach 40 Jahren in Köln nach Hamburg um. Ihre Versuche, in Köln ein Frauennetzwerk und ein Wohnprojekt aufzubauen oder sich in eine bestehende Wohngemeinschaft einzumieten, sind erfolglos geblieben. In Hamburg bekommt sie – über den Verein „Garten der Frauen“ auf dem Ohlsdorfer Friedhof, wo sie sich ein Jahr zuvor einen Urnenplatz hat reservieren lassen – Kontakt zu einem Damenstift. Als dort eine Wohnung frei wird, zieht sie ein. Sie besucht die Universität Hamburg als Gasthörerin und lernt Sprachen.
Coaching-Stippvisite
Sieben Jahre später (2009) reist Harriet nach Köln und trifft sich mit Birgitt Morrien zu einem weiteren Coaching-Termin. Sie stellt zu Beginn der Sitzung fest, dass sie sich inzwischen freier fühlt und gelassener mit sich und anderen umgeht. Die Sätze, die Harriet formuliert, um diesen Zustand zu beschreiben, kleidet sie auf Birgitt Morriens Anregung hin in eine Farbe. Es ist ein zartes Lila, mit dem sie nun ein Bild malen soll. Harriet gibt ihm den Titel „Der leicht und luftig wehende Vorhang oder: Wie ich geschützt, standfest und gelassen bin, weil ich voller Vertrauen mit dem Leben fließe“.
Dem Malen schließt sich eine Klangreise an, die in das Bild und die lila Farbe führt. Birgitt Morrien spielt auf dem Monochord und begleitet ihr Spiel mit Gesang, derweil Harriet entspannt und warm unter einer Decke liegt und mit geschlossenen Augen den Tönen folgt. Sie führen sie in einen Tunnel im Wasser, der in eine Felsentherme mündet, hinauf auf das Matterhorn, wo ein Steinbock vertrauensvoll seine Schnauze in ihre Hand legt, und über eine Rutsche zurück ins Wasser.
Nach der Mentalreise notiert sie als zentrale Begriffe Vertrauen, Leichtigkeit und Weite. Die Klangerfahrung wirkt nach und sie ergänzt ihre Aufzeichnungen einen Tag später um zwei Sätze: „Ich kann alles, was ich will“ und „Ich fühle mich runder, vollständiger, substanzieller“.
Widrigkeiten und Tatendrang
Auf meine Frage nach ihrem Umzug nach Hamburg antwortet Harriet, dass sie diese Ortsveränderung damals gar nicht als Bruch empfunden hat. Eine große Veränderung war es dennoch, denn ihre Freundinnen wohnen nach wie vor in Köln. Dafür ist sie ihrer Tochter, die auf Föhr lebt, räumlich näher gekommen.
Das Leben im Stift hatte sie sich anders vorgestellt. Zu ihrem Entsetzen lebten zur Zeit ihres Einzugs dort noch Studierende, darunter auch einige Männer. Das hat sich längst geändert, aber richtig warm geworden ist sie mit den anderen Bewohnerinnen nicht. Dazu sind es mit rund 70 Frauen zu viele und die Interessen seien zu verschieden. Zu den Seniorentreffen im Stift geht sie nicht. „Ich gehöre da nicht hin, ich sehe schon ganz anders aus“, sagt sie und ich glaube ihr aufs Wort. Mit Ringelshirt, selbst gestrickten Socken in froschgrünen Filzpuschen und einer modischen Kurzhaarfrisur entspricht sie nicht unbedingt dem Bild, das sich die meisten Menschen von einer 86-jährigen Frau machen. „Das ist auch gut so“, ist sie sich sicher und ihre Augen blitzen übermütig. Alles an ihr ist wach, frisch und voll Tatendrang, als sie mir erzählt, dass sie inzwischen Schwedisch lernt und bald nach Malmö reisen möchte.
In Bewegung bleiben
Die Erwähnung der Bahn liefert schließlich das Stichwort für meinen Aufbruch. Die vereinbarten zwei Stunden für unser Treffen sind längst überschritten und die Zeit wie im Nu verflogen. Harriet lässt es sich nicht nehmen, mich zum Bahnhof zu begleiten. Jeden Tag geht sie spazieren oder zu Fuß einkaufen, um in Bewegung zu bleiben. Nicht immer nimmt sie dabei den kürzesten Weg. Darauf komme es auch gar nicht an, sagt sie, denn „es ist immer mein Weg“.
Die Klientin
Der Name und weitere persönliche Angaben wurden verändert, um die Anonymität der Coachee zu wahren.
Die Autorin
Karolin Küntzel arbeitet als Kommunikationstrainerin und freie Autorin. Sie lebt in der Nähe von Lübeck. Kontakt und Infos: Mail: info@karibuch.de, Web: www.karibuch.de, Blog: www.hallimasch-und-mollymauk.de
Die Coaching-Expertin
Seit 20 Jahren berät die US-diplomierte Kommunikationswissenschaftlerin und Buchautorin Birgitt E. Morrien vielseitige Persönlichkeiten in den Bereichen (Selbst-)Führung, persönliches Marketing-Management & strategisch-kreative Kommunikation in ihrer in Köln ansässigen Beratungspraxis COP – Coaching, Organisation & PR.
Mit Bodenständigkeit und Humor auf Grundlage ihrer ganzheitlichen Methode DreamGuidance sorgt Senior Business Coach DBVC Morrien für Zielklarheit. Und verschafft Ratsuchenden – trotz aller Belastungen im Business – den Rahmen, durch den sich der Blick für zukünftige Möglichkeiten wieder öffnet.
Morriens Beratungsarbeit:
Mehr Coaching-Storys: 45 Erfahrungsberichte über das Coaching mit DreamGuidance bei Birgitt Morrien.
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