Weg vom Ich – Hin zum Wir:
Hörfunk im Trend?!

Radio der Zukunft: Alte Stärken eröffnen neue Chancen.  Die Zukunftsstudie "Vision 2017" untersucht die Bedeutung künftiger gesellschaftlicher Trends für das Radio? Christian Wenger berichtet in Media Perspektiven.

Die Zukunftsstudie „Vision 2017“ untersuchte mittels einer zweistufigen qualitativen Expertenbefragung zukünftige Lebensbedingungen, Werthaltungen, Bedürfnisse und Wünsche der Menschen. Erkennbar wurden fünf zentrale Grundorientierungen, die das Leben der Menschen in den kommenden Jahren prägen werden. Klassische Medien wie das Radio werden darauf reagieren müssen.

Die künftige Grundorientierung „Managing Dutility“ beschreibt, dass immer mehr Pflichten neben die Erwerbsarbeit treten, beispielsweise Gesundheits- und Weiterbildungsarbeit, Kümmern um Altersvorsorge etc. Dies zwingt die Menschen zu verstärktem Effizienzdenken im Alltag. Pflichten („duties“) und Nutzen („utilities“) müssen individuell optimiert werden. In Bezug auf  Medienangebote wird hieraus ein hoher Anspruch an die unmittelbare und zeitunabhängige Verfügbarkeit entstehen. Radio kann sich hier die Vielfalt der Schnittstellen zur mobilen Nutzung und zum Internet zunutze machen und durch digitale Angebote den Alltag der Hörer noch effektiver begleiten.

Die Grundorientierung „Living Substance“ meint das wachsende Bedürfnis der Menschen, zurück zum Wesentlichen zu gelangen, eine Reaktion auf das Zuviel an Optionen und den daraus resultierenden Stress. In diesem Zusammenhang wird die Lean-back-Nutzung klassischer Medien neue Bedeutung erlangen, starke und vertraute Radiomarken bieten hier Orientierung und (Alltags-)Strukturierung.

„Embedding Individuality“ steht für die künftige Tendenz zu weniger „Ich“ und mehr „Wir“ und ist als Reaktion auf das unbedingte – auch anstrengende  Streben nach Individualität zu sehen. Es wächst ein Bedürfnis nach sozialer Einbettung, nach Unabhängigkeit in der Gemeinschaft. Radio ist wie kaum ein anderes Medium in der Lage, Gemeinschaftsgefühl zu schaffen; seine regionale Verankerung erzeugt Verbundenheit, und es bietet zahlreiche Bezugspunkte für Kommunikation.

„Creating Lifeholder Value“ beschreibt den zunehmenden Wunsch nach mehr Partizipation, das Bedürfnis danach, den Eigenanteil an der Gestaltung des eigenen Lebens zu vergrößern, das Umfeld und die Umwelt mitzugestalten. Im Radio hat die Partizipation der Hörer eine lange Tradition, und diese Tradition kann ins Internet auf vielfältige Weise verlängert werden.
Bei der fünften Grundorientierung „Engaging in a Sane Society“ geht es um Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung, die künftig relevanter werden. Die Menschen wissen: Ihr Wohlbefinden ist an das der Umwelt und der globalen Gemeinschaft gekoppelt. Radio kann dem Bedürfnis nach sozialer Verantwortung und Nachhaltigkeit vielfältig entsprechen. Radiosender können glaubhaft – insbesondere durch ihre Präsenz vor Ort – eigene Aktionen im Kontext sozialer Verantwortung ins Leben rufen und diese dann öffentlich redaktionell begleiten.

Insgesamt wird es für die klassischen Medien wie Radio darauf ankommen, die richtige Balance zwischen Push- und Pullangeboten zu finden. Radio hat jedenfalls das Potenzial, traditionelle Stärken mit digitalen Angeboten zu verbinden.
  

MP 3/2011, S. 147-153

Medienkarrieren

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