Machen Sie Fehler! Oder: Karriere machen heißt, sich selbst leben

Wie Lernende klug werden fürs Geschäft, grad zu Zeiten der Krise. Mehr noch, wie sie weise werden fürs ganze Leben.

Indem sie dies beherzigen: Schule macht klug. Und Fleißigsein gute Schüler. Erfahrung macht weise. Und Fehlermachen erfahrungsreich.

 

Essay in ManagerSeminare von Senior Coach Birgitt E. Morrien (DBVC, DGSv, dju, DPRG), die es sich schon zur Jahrtausendwende zur Aufgabe machte, originelle Geister zu entdecken und zu fördern: Pioniergeister, die das kreative Potenzial von Krisen für immer neue Lösungen erkennen und nutzen. –

 

„Machen Sie Fehler“  Vor etwa 10 Jahren war Tom Peters in Zürich. Das Guiness-Buch der Rekorde führte den US-Amerikaner seinerzeit als den höchstbezahlten Unternehmensberater der Welt. Unverändert gilt er als einer der bekanntesten Managementgurus, der seine Heilslehre in Form von leidenschaftlichen Slogans auf der ganzen Welt verbreitet.

Birgitt E. Morrien traf den Multimillionär in der Schweiz.

 


,,Lassen Sie sich feuern! Wenn Sie Ihre Ideen nicht energisch genug vorantreiben, um dafür gefeuert zu werden, dann sind Sie nicht energisch genug."

Ein typisches Zitat des Autors von ,,Auf der Suche nach Spitzenleistungen“, eine Aufforderung mit Aussicht auf das Ende der Gemächlichkeit, dem Anfang aller Kreativität.

Tom Peters fordert: ,,Think arts. Stellen Sie Dichter ein! Nichts inspiriert so sehr wie die Kunst.“ Neues Lernen, Leidenschaft, Talente, Kunst, Frauen und Gesundheit sind die zentralen Schlüsselbegriffe, die Tom Peters während seiner einzigen europäischen Vortragsveranstaltung im Dezember präsentiert. Ein Acht-Stunden-Marathon vor erwartungshungrigen Managern, die nach Zürich gereist sind, um sich durch systematische Verwirrung anregen zu lassen.

Der Ex-McKinsey-Berater und Farmer ist einer der bestbezahlten Ideengeneratoren weltweit. Peters arbeitet an der Front. Ideen sind hier die entscheidende Währung für künftige Herausforderungen, kreativitätsfördernde Bildung ist darum überlebensnotwendig. Peters erklärt, die Internet-Hegemonie sei im Anmarsch und der Wirtschaftsbereich darauf nach wie vor kaum vorbereitet.

,,Die Internet-Hysterie ist verrückt, die Wirklichkeit ist aber weitaus verrückter als diese Hysterie“, weiß er. ,,80 Prozent aller Aktivitäten in der Versorgungskette sind nutzlos und neue Infodienste werden diesen Bluff bald auffliegen lassen.“ Kein Stein wird auf dem anderen bleiben, droht er, kein Stuhl verschont. Ein großes Problem, aber auch eine große Chance.


Think diversity

Begeistert erwähnt Peters Netscape-Personaldirektorin Margie Mader, die sich offiziell ,,Direktorin zum Reinholen echt cooler Leute“ nennt. Gemeint sind Mitarbeiter, die sich vom Chaos beflügeln statt verschrecken lassen. Netscape sei in nur drei Jahren geworden, was es jetzt ist. Linearität ist hier nicht gefragt. Brüche, Fehler und Fragmente werden als notwendige Bausteine für noch unbekannte neue Entwicklungen begrüßt Leben und Lernen brauche neue Paradigmen. Die Verhältnisse hätten sich schon verändert, das Denken darüber noch nicht.

Peters favorisiert neue Foren und neue Modelle für neues Denken. ,,Think diversity. Innovation braucht Kreativität und Kreativität braucht den Unterschied“, fordert er. Ohne Reibung keine Entwicklung. Mehr als zweihundert Männer sind der Einladung des Zentrums für Unternehmensführung gefolgt, vergleichsweise wenige Frauen, keine Farbigen.

Think diversity – Peters Ruf nach repräsentativer Unterschiedlichkeit bleibt hier ein frommer Wunsch. Die Runde zeichnet sich vor allem durch lichte Häupter und diskrete Zurückhaltung aus. Wo das Publikum eher still bleibt, schreitet Peters mit erhobenen Händen durch die Reihen und beschwört die Versammelten, sich endgültig von dem vermeintlich alleinseligmachenden jungen, weißen, männlichen Managermodell zu verabschieden. ,,Wir sind schrecklich im Umgang mit Frauen und älteren Menschen. Wir rennen mit absolut blödsinnigen Vorurteilen herum,“ verkündet er.


Think women

Mehr als die Hälfte der US-amerikanischen Gesamtkaufkraft liegt in den Händen der Frauen, zitiert Peters. Frauen würden 65 Prozent aller Autokäufe tätigen, mehr als 50 Prozent aller Unternehmensneugründungen gingen auf ihr Konto. Tendenz steigend. Vor dem Hintergrund dieser Daten sieht sich das Publikum unverhofft mit grundlegenden Erkenntnissen aus den ersten Stunden der Frauenbewegung konfrontiert: ,,Frauen sind anders. Es ist wie eine andere Kultur“, klärt Peters die perplexen Herren auf. ,,Wenn Männer in einer Bank eine Transaktion vornehmen, dann erwarten sie, daß das Geld von einem auf ein anderes Konto überwiesen wird. Punkt. Frauen aber wollen ein Erlebnis.

“Banken und alle anderen Wirtschaftsbereiche, die das nicht berücksichtigen wollen, würden Gefahr laufen, Kundinnen an Mitanbieter zu verlieren, die bereit sind, umzulernen. Die Zuhörer sind nicht gerade begeistert und Peters merkt an, ,,von jeder wirklich neuen Idee fühlen sich die Leute angepißt.“


Think projects

Das berühmteste Innovationsprojekt unserer Tage, Silicon Valley, habe das Prinzip ,,Think projects“ nachdrücklich bewiesen. Am Anfang steht die Idee, immer der Lächerlichkeit preisgegeben, denn eine Garantie für Erfolg gibt es nicht.

Silicon Valley verdanke seinen Erfolg gleichermaßen seinem unerschütterlichen Mut zum Träumen, irrwitzig hohen Anteilen Risikokapitals und einer schockierenden Fehlertoleranz. ,,Machen Sie Fehler“, rät Peters daher. ,,Perfektion wird von Firmen nur zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs erreicht.“

 


Birgitt E. Morrien

Quelle: ManagerSeminare 35/99
 

 

2 Gedanken zu “Machen Sie Fehler! Oder: Karriere machen heißt, sich selbst leben

  1. Das war bestimmend spannend und für Deutsche leicht überzogen. Ich bin mittlerweile etwas entnervt, wie wenig man hier bewegen kann. Der Proklamation solcher Forderung wird gerne zugehört, umgesetzt wird es kaum. Warum? Ich glaube, weil Mann hier so sicherheitsfixiert ist, dass mann sich auf nichts Neues einlässt. Es könnte ein Fehler sein. Erst wenn andere schon davon laufen, dann geht es los.
    Mich würde interessieren haben Sie jemanden von den gelichteten Männern jemals dahin begleiten können, mehr auf Ideen und Fehler zu vertrauen? Und vor allem eine andere Haltung einzunehmen?
    Schöne Gruß
    Fritz Horsthemke

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