Überraschend erfolgreich! Oder: Die akausale Logik des Erfolgs

Besondere Aufgaben verlangen besondere Laufbahnen: Die promovierte Pädagogin Maria Brotwein* verabschiedet sich aus einer ungeliebten Leitungstätigkeit zu Gunsten einer Auszeit mit Kinderhüten. Und findet so den Einstieg zu einer kreativen Karriere im Medienbusiness.

Der Text erscheint in redaktionell veränderter Fassung am 5./6. April 2008 als Coaching-Kolumne im Magazin des Kölner Stadtanzeigers in der Serie "Mein Coach":
http://www.ksta.de/html/artikel/1207260056461.shtml  (Nachtrag vom 10.04.2008)

Wer so manche meiner Klienten kurz nach der Beratung antrifft, muss annehmen, ich treibe meine Kundschaft in den Ruin. Da ist etwa Maria Brotwein, promovierte Pädagogin, die in einer beruflichen Sinnkrise zu mir kam. Mit Burnout-Symptom, das keinen Aufschub duldete, ohne sich gesundheitlich langfristig ernstlich zu gefährden. Noch im Laufe des Coachings kündigte sie den für sie nicht mehr tragbaren Job, ohne eine neue Stelle in Aussicht zu haben.

Statt sich mit beruflichen Zukunftsfragen zu befassen, entschloss sie sich dazu, stundenweise für eine Weile in ihrem Bekanntenkreis Kinder zu hüten. Die wichtigste Aufgabe lag darin, durch möglichst viel Muße wieder zu sich zu finden und neue Kraft zu tanken. Das war so mit mir abgesprochen und strategischer Teil der weiteren Laufbahnplanung.

Wir waren uns ganz sicher, der nächste Karriere-Schritt würde verlässlich überraschend in ihr Leben treten. Das war bisher immer so gewesen, so das Ergebnis der Erfolgsanalyse, mit der ich die Entwicklungsmuster von Berufsbiografien aufdecke und die ich entsprechend auch für Maria Brotwein durchgeführt habe: Alle für sie nachhaltig erfreulichen Veränderungen waren immer dann in ihr Leben treten, wenn sie einfach ihrem Herzen gefolgt war.

Nach dem Hochschulabschluss hatte sie keine Ahnung, wie es beruflich für sie weitergehen sollte. Die Idee, zu promovieren, kam ihr erst auf einer Erholungsreise, ebenso das Thema. Ihre Doktormutter lernte sie anschließend in der Warteschlange zu einem ausverkauften Konzert ihrer Lieblingssängerin kennen. Statt der Karten zum Konzert gab es so den ersten Kontakt zu ihrer weiteren wissenschaftlichen Laufbahn. Und als sie die Dissertation erfolgreich abgeschlossen hatte, fuhr sie erst einmal auf ein Jazz-Seminar an die See. Wohl auch, um dort singend ihren ersten Chef zu treffen, den sie selbstverständlich bis dahin nicht kannte.

Was auch immer die Ursache ist für dieses phänomenale Muster, ob Zufall, die Logik des Herzens oder die Unschärferelation der Quantenphysik, wir wissen es nicht. Was wir aber wissen, ist, dass es funktioniert. Offenbar können wir neue Möglichkeiten (Chancen) in unserem Leben begünstigen, indem wir dem Impuls der stärksten Energie in uns folgen, auch wenn dies auf andere und uns selbst im ersten Schritt unsinnig wirkt.

Was Brotweins kommende Aufgabe betraf, kannten wir zu babysittenden Zeiten bereits einige wesentliche Parameter. Sie hatte sich, von mir angeleitet, auf eine mentale Zeitreise begeben und sich aus der Sicht der alten Frau an besonders erfüllende Augenblicken ihres Lebens erinnert. Der nächste berufliche Schritt, soviel stand aufgrund unserer so gewonnenen Informationen fest, würde in irgendeiner Weise mit Medien zu tun haben, womöglich mit einer Art beratenden Aufgabe in diesem Bereich.

Brotwein kannte zwar entfernt einige TV-Leute, wusste jedoch keineswegs, wie eine Aufgabe in diesem Bereich für sie aussehen könnte. Und sie kümmerte sich zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht darum. Doch beim dritten Sitterjob fiel der Groschen gleich am ersten Abend. Die Kusine ihres Auftraggebers holte die beiden Kinder zum Kinobesuch ab. Beim Übergabegespräch erfuhr Brotwein von Kusinens Produktionsfirma und davon, dass diese händeringend für das Casting und die fachliche Betreuung von Gästen eine Expertin sucht.

Bereits am nächsten Tag gab es ein Vorstellungsgespräch. Die Chemie zwischen Brotwein und ihrer neuen Chefin stimmte, das Anforderungsprofil passte und die Stimmung im Team war großartig. Brotwein war begeistert und begann drei Tage später mit ihrer neuen Aufgabe. Das liegt nun drei Jahre zurück und Brotwein betreibt inzwischen eine eigene Firma, die sich auf die pädagogische und psychologische Beratung im Rahmen von TV-Produktionen spezialisiert hat.

Was nach Morriens Märchenstunde klingt, ist tatsächlich der typische Fall einer Belohnung, die strategisch so nicht planbar ist. Wohl aber zu begünstigen durch mutige Schritte, wie in Brotweins Fall durch den zeitweiligen Wechsel in eine vielleicht weniger angesehene Aufgabe. Die aber erwies sich schließlich als ebenso heilsame wie Erfolg versprechende Option, als glückliche Chance.

 

 

*Name geändert

PS: Wer sich – wie ich – allein von Berufs wegen mit Erfolgsforschung befasst, wundert sich keineswegs über solche Laufbahn-Logik. Grund: Auch die Wirtschaftsgeschichte ist voll von Beispielen akausaler Erfolgslogik.

Jüngstes Beispiel:
Henkel von Donnersmarck musste sich von der Marktforschung zunächst anhören, seine Story „Das Leben der anderen“ sei für ein Filmprojekt zu dunkel, zu düster und schwer, um am Markt kommerziell zu funktionieren. 

Unverhoffte Unterstützung fand er bei prominenten Schauspieler/innen wie Martina Gedeck und Sebastian Koch, die sich bereit erklärten, auch für geringe Gagen mitzumachen, da sie sich für die Story begeistern konnten und daran glaubten.

Und wider jede marktstrategische Logik machten sie sich gemeinsam an ihr Werk. Und eroberten das Publikum mit ihrem Film schließlich mit einem bisherigen Einspielergebnis von 70 Millionen Dollar.

Quelle: Absatzwirtschaft 3.2008

 

Hinweis: Mehr Fallgeschichten aus Morriens Feder finden Sie in "Traumhaft gelöst – Coaching mit DreamGuidance".
http://www.cop-morrien.de/publikationen.html

 

 

 

*Name geändert

 

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