Gilgamesch: Reisen ohne Gepäck oder Die schrecklich schöne Schufterei der Management-Inspiration

Wie ein indischer Meister das Management lehrt, sich reich zu fühlen, wenn man nackt ist.  Meine Eindrücke von einer hochkarätigen Schweizer Unterweisung, in der uns der Universalschlüssel zur Lösung aller Probleme überreicht wurde – sehr einfach zu nutzen, was es so schwierig macht.

Begonnen hat alles mit der Einladung des Gründers einer Schweizer Management-Schmiede* zur ganztägigen Begegnung mit einem bekannten indischstämmigen Weisheitslehrer und Führungsberater. Da mir dessen Name** schon seit Jahren geläufig und seine Schriften wohlvertraut sind, wollte ich mir die Chance nicht entgehen lassen, zu erleben, wie dieser warmherzige kalifornische Kollege es anstellt, sein illustres Publikum ganztägig zu erheben.

Einen Tag danach flüchte ich mich in ein Café am Rhein, weit draußen vor die Tore Kölns. In die Ruhe will ich. Für mich sein. Mit mir allein. Schreibend zu mir kommen. Begreifen, was ich gestern während der Veranstaltung verloren habe. Eine Illusion, so schön, dass ich ihr gern  länger angehangen hätte. Ich sei von äußeren Dingen gänzlich unabhängig, dachte ich bis dahin, mir meiner selbst rundum sicher. Und möchte nun diese Ent-täuschung, die einer Strickjacke und beigen Socken zu verdanken ist, in Stille verdauen. Aber dazu später mehr.

Denn wie es der Zufall will, ist ausgerechnet heute hier großes Getöse. Bricht ein Bagger die vielen Steinplatten vor diesem sonst so ruhigen Ort auf. Bebt die Tastatur auf meinem Tisch mit weiter Aussicht, weil auch an dieser Stelle – wie bereits an vielen andren entlang des mächtigen Stroms – ein moderner Schutzwall entstehen soll, der bei Überflutung automatisch hochgefahren werden kann. Und um das möglich zu machen, ist der Baggerführer nicht minder engagiert als der Management-Inspirator es gestern war. Der Schweiß steht ihm auf der Stirn.

Die Überflutungen, für die der Weisheitslehrer uns besser wappnen will, sind indes anderer Art, wenn auch nicht weniger bedrohlich. Was den Rheinanwohnern drohende Wasserfluten sind, ist uns Verantwortungsträger/innen die verlässliche Folge immer neuer Anforderungswellen. Beidem gilt es grundlegend zu begegnen, um bei niedrigem wie hohem Wasserstand gleichermaßen sicher zu sein und gelassen.

Trotz der verlockenden Aussicht auf wirksamen Flutenschutz am Rhein brauchte es jedoch, wie ich höre, mehr als drei Jahre, bis der Cafébetreiber bereit war, der baulichen Maßnahme zuzustimmen. Die notwendige tageweise Schaufelei verspricht zwar dauerhafte Sicherheit, bedeutet jedoch vorübergehende Einschränkungen wie Lärm und daher womöglich auch Kundenausfall. Grund genug, den Mann lange davon abzuhalten, dem nachhaltigen Verbesserungsvorhaben zuzustimmen.

 

Der leichte schwere Rückzug in die Stille

Wo der Cafébetreiber lange überlegen muss, wähnen sich mit mir im Züricher Umland gestern gleich mehr als hundert Teilnehmer/innen entschieden, mögliche Schritte zu mehr innerer Sicherheit sofort umzusetzen. Der Weisheitslehrer packt für uns die Baupläne mächtiger mentaler Schutzwälle aus, die er auf die Leinwand einer ehemaligen Reithalle projiziert, in der wir tagen. Für weniger als Tausend Euro Teilnahmegebühr offenbart er uns allen die Prinzipien einer geistigen Architektur, die dauerhaften Schutz verspricht gegen Selbstverlust in Zeiten verwirrender Überforderung. Vielen jedoch gleich verdächtig durch ihre Schlichtheit, wo es gilt:

Sich regelmäßig zurückzuziehen. Sich Zeit zu nehmen. In die eigene Stille zu gehen. Mindestens zehn Minuten. Täglich. 

Umso deutlicher ist mir die Dringlichkeit seines Fingerzeigs, als plötzlich wieder mein Tisch bebt und meine Aufmerksamkeit augenblicklich der rumpelnden Baggerschaufel nach draußen folgt, weg von meiner aktuellen Aufgabe. Unter diesen Umständen gerät das Schreiben zur besonderen Übung. Hier ganz bei mir zu bleiben, ahne ich, braucht die Erfahrung Fortgeschrittener in Sachen innerer Abgrenzung.

Und da schwant mir, was der Weisheitslehrer mir voraushat. Nebst einigen Lebensjahren und Berufserfahrung vor allem eine besondere Qualität von Ruhe, die spürbar auf mich abstrahlt, wohl als Folge innerer Sammlung über Jahre. Das ist, woran es zu arbeiten gilt. Seinen anregenden Überzeugungsmarathon brauche ich jedoch nicht: Dass aller Raum eins ist, weiß ich aus eigener Erfahrung. Wenn ich mich in Traum und Trance augenblicklich von hier nach da beamen kann, deckt sich diese Erfahrung perfekt mit den Möglichkeiten subatomarer Teleportation der experimentellen Physik.

Mir fehlt kein Wissen, sondern die noch konsequentere Praxis alltäglichen Rückzugs in die Stille. Dorthin, wo sich die Quelle spiritueller Sicherheit und der Schlüssel zu unendlicher Schöpfungskraft findet. Egal für welches Anliegen, worin der Weisheitslehrer und ich uns eins sind. Auch zum nachhaltig gelassenen Umgang mit Gepäckverlust.

Denn mit dieser Herausforderung nahm mein Bildungsausflug am Sonntagabend gleich seinen Anfang. Mit dem Flieger war zwar ich selbst, nicht aber mein Gepäck nach Zürich gereist. Wie sich später herausstellte, landete dies am selben Abend in London. Dank eines Schweizer Freundes, der mich am Flughafen abholte, versöhnte ich mich jedoch

schnell mit dem zeitweiligen Gepäckverlust.

 

Machen Kleider Leute?

Mit Blick auf den Züricher See verbrachten wir in einem schönen Lokal anregende Stunden miteinander. Und da meine Strickjacke die Reise im Handgepäck mit mir geschafft hatte, genossen wir den schönen Oktoberabend bis in die Nacht hinein draußen auf der weitläufigen Terrasse des Lokals. Bis er mich zu meinem Hotel fuhr, wo ich zufrieden in mein behagliches Hotelbett fiel.

Die Nacht war eher unruhig, ob schon wegen der bevorstehenden Weisheitsthemen oder auch wegen der fehlenden, dem besonderen Anlass angemessenen Kleidung, weiß ich nicht. Jedenfalls fand ich mich anderntags in Jeans und Bauernschuhen (Kamper =Bauer), Strickjacke und beigen Socken in jeder Hinsicht ungeschminkt in der Veranstaltung wieder.

Und fühlte mich irgendwie deplaziert. Mitunter missbilligend beäugt, war mir gänzlich unwohl. Was ich vor allem vor mir selbst zu kaschieren suchte durch interessierte Beschäftigung mit den vielen ausgelegten Büchern des Indo-Amerikaners und beim Mittagsgeplauder mit dem Schmiedenchef.

Es konnte doch nicht wahr sein, dass ich mich in meinem Wohlbefinden derart von meiner Kleidung und Außenwirkung abhängig machen wollte. Schließlich trug ich keine Lumpen am Leib, sondern einfach Straßenbekleidung, auch wenn es sich anders anfühlte.

 

Ich bin!

Doch allem Seelenreden des Tages zum Trotze hatte mein Ego eindeutig die Oberhand gewonnen. Hatte ich einen Augenblick nicht aufgepasst und war schon aus der Einheit mit mir selbst herausgefallen. Fühlte mich allem Wohlstand zum Hohn plötzlich arm unter Reichen und der VerZWEIflung nah. Fand mich in mir ausgeschlossen wieder, wo das eine vom andren gespalten wird. Das eine vom andren getrennt. Wo drinnen und draußen bestimmt werden, blieben mir Scheu und Scham als inneres Zuhause. Für Stunden verlassen, gekränkt.

Bis der Weisheitslehrer die Frage nach den inneren religiösen Vorbildern für Führung stellte, die vereinzelt mit „Jesus“ beantwortet wurde, was auf mich, da innerlich geschwächt, aus maßgeschneidertem Munde etwas befremdlich wirkte. Sofort fiel mir die Krippe ein, in der das Jesuskind gestartet war und auch das Kreuz, an dem das Idol nur spärlich bekleidet sein trauriges Ende fand.

Ich fragte mich, ob sich die Jesus-Fans an ihrem Vorbild nicht vielleicht doch einen Bruch heben würden. Und wie es ihnen hier, sagen wir in verschwitztem Polohemd, wohl an meiner Stelle gehen würde. Wie auch immer, war mir sofort klar, dass ich selbst von der inneren Freiheit eines Jesus noch Meilen entfernt bin. Auch von Maria und Mutter Teresa, die mir der Vortragende als weibliche Rollenvorbilder zur Auswahl bereithielt.

Zum Glück fand ich meinen Frieden noch während der Veranstaltung durch eine kleine Übung mit zwei Worten zurück, die es allerdings in sich haben. „Ich bin“ ließ der weitangereiste Lehrer uns in aller Stille denken, um uns schließlich ganz darin zu versenken. Was mir nicht gleich, aber doch nach einer Weile tatsächlich gelang, und ich meine Strickjacke mit allem Egoweh vollkommen vergaß, um schließlich wie neugeboren aus der etwa zwanzigminütigen Unterweisung wieder aufzutauchen.

Da sah ich endlich auch meinen netten Nachbarn wirklich klar. In seiner ganzen Liebenswürdigkeit, die er den ganzen Tag über in verschiedenen Übungen an den Tag gelegt hatte. Und sah ihn auch in seiner punktuellen Unbeholfenheit, etwa als er in einem Feedback meinte, ich erinnere ihn an einen kindlichen Geist in einem alternden Körper. Bei aller Liebe, aber unsere Kanzlerin ist 54, in ihren besten Jahren, und hat damit gerade erst das Alter erreicht, das in gewissen Indianerstämmen vorgeschrieben ist, um bei entsprechender Befähigung die Trommel zu schlagen. Bis dahin habe ich noch sechs Jahre Zeit, die ich – und das ist keine Frage – für entsprechende Aufgaben auch noch brauche!

Solange will ich mich, wenn ich das nächste Mal wieder aus dem Paradies falle, an das Gilgamesch-Epos erinnern, das älteste uns überlieferte seiner Art überhaupt. Daran, dass darin auch die babylonische Göttin Ishtar – lange vor unserm Herrn Jesus – ihre große Reise ganz ohne Gepäck antreten musste. Das Tor in die andere Welt war nur nackt zu passieren, aller weltlichen Insignien entledigt.

Daran will ich mich bei jeder Herausforderung erinnern, die mich ganz fordert. Und kindlich gestimmt wird es mir vielleicht wieder gelingen, die Grenze zum ewigen Raum zu überschreiten, wo alles ist, was eine Antwort braucht. Oft als unverhoffte Lösung, manchmal sprachlos, doch immer wirkungsvoll.

 

 

 

* Fritz Haselbeck, promovierter Gründer der International Business School, ZfU – Zentrum für Unternehmensführung. Projektleiterin der Veranstaltung: Manuela Pallawww.zfu.ch

** Deepak Chopra, promovierter Mediziner und spiritueller Weisheitslehrer, verbindet das Wissen des Westens mit der Weisheit des Ostens. Der global agierende Management-Inspirator zählt laut „Time Magazine“ zu den 100 herausragendsten Köpfen des 20. Jahrhunderts.

Seine zahlreichen Buchpublikationen sind in viele Sprachen übersetzt worden. Besonders bekannt: „Die 7 geistigen Gesetze des Erfolgs“. Mein Lieblingstitel von ihm: „Das Feuer des Herzens“, übrigens ein Jugendbuch, sehr anschaulich gehalten, darum mir besonders lieb. www.chopra.com

 

Neuerscheinung in Sachen Management-Inspiration
aus eigener Feder:

Traumhaft gelöst –
Coaching mit DreamGuidance

Autorin: Birgitt E. Morrien
Erscheint: Oktober 2007

Preis: EUR 17,- / Paperback / 300 Seiten / COP-Edition

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