Träume als Seismographen für Veränderung zu nutzen, teile ich als Anliegen mit W. Gordon Lawrence. Mein Londoner Kollege befasst sich seit Jahren intensiv mit der sozialen Dimension der Träume in der Management-Beratung. Gern stelle ich Ihnen in drei Teilen sein Konzept „Social Dreaming“ vor. Auf der Schwelle zum neuen Jahrtausend war dies sein Beitrag dazu, das klinische Traumverständnis aufzulösen, um die Ressource Traum umfassender einzusetzen.
Mit Anton Zeilinger haben wir einen renommierten Verfechter des erweiterten Raum- und Zeitbegriffes gewonnen. Dem Wiener Physiker ist es 1997 geglückt, Quantenzustände zu teleportieren. Experimentell nachgewiesen wurde damit, dass Energie keine Grenzen in Raum und Zeit kennt. Etwas wird hier berührt und verändert sich zugleich dort. Was bis dahin als Phänomen spukhafter Fernwirkung eher aus Mystik, Schamanismus und Traum bekannt war, ist nun naturwissenschaftlich verbrieft und gilt drum als salonfähig.
Die neuen Erkenntnisse der Physik stärken in der Folge innovative Beratungsansätze wie Social Dreaming von Lawrence und mein eigenes DreamGuidance-Coachingkonzept. Beide gehen davon aus, dass sich Veränderungen immer ankündigen, und wir uns dafür sensibilisieren können, dies frühzeitig zu erkennen, um uns darauf einzustellen.
VON DER THERAPIE ZUR MANAGEMENT-BERATUNG –
Auf dem Weg zu einem sozialen Organisationsverständnis
1.1 Stationen einer Entdeckung
1.2 Skizzierte Chronologie –
Die entscheidenden Entwicklungsstadien in der Praxis
1.2.1 1982 „Wagnis in Social Dreaming: Das erste Experiment“
1.2.2 1988-90 Internationale Erfahrungen mit Social Dreaming
Israel 1988, Deutschland 1989, Australien 1989
1.1 Stationen einer Entdeckung
„‚Social Dreaming‛ hat eine lange Vergangenheit, aber eine kurze Geschichte“, meint der Begründer einer neuen Methode der Arbeit mit Träumen (Lawrence 1998, S. 142). Seit jeher haben Menschen gewusst, dass Träume über den individuellen Kontext hinaus Bedeutung haben. Schon das assyrische Traumbuch berichtet von Ereignissen aus dem sozialen oder politischen Umfeld von Träumenden und Karl IV. träumte konkret den Tod eines Verwandten voraus, um hier nur zwei historisch verbriefte Quellen für den möglichen sozialen Informationsgehalt von Träumen anzuführen.
In seiner Rolle als Leiter des „Group Relations Programme“ am Londoner Tavistock Institute of Human Relations bemerkte W. Gordon Lawrence bereits Ende der 70er-Jahre die soziale Dimension der Träume in der eigenen Arbeit. Die in Gruppen geäußerten Träume wiesen vielfach „über den Rahmen des persönlichen Lebens hinaus“ (ebd., S. 14). Lawrence wusste aus Berichten des Anthropologen Kilton Stewart von dem seit über 300 Jahre völlig friedliebenden malaysischen Stamm der Senoi, der vielfältige Möglichkeiten entwickelt hatte, die „hyper-individuelle Dimension der Träume“ (Morrien 1996) bzw. die soziale Dimension der Träume auch in Erziehungsfragen anzuwenden (vgl. Lawrence 1998, S. 37).
Nachdenklich stimmten Lawrence außerdem C.G. Jungs Visionen kommender politischer Ereignisse, etwa die Ankündigung des Ersten Weltkrieges im Sommer 1913 durch furchterregende innere Bilder. Bis zum Kriegsausbruch hatte Jung jedoch zeitweilig an eine drohende Psychose geglaubt, da die individuell ausgerichteten Traumkonzepte der Psychoanalyse eine soziale oder politische Deutung nicht vorsahen (vgl. ebd., S. 15). Aber erst die Entdeckung von „Das Dritte Reich des Traums“ von Charlotte Beradt überzeugte Lawrence von der Notwendigkeit, die engen Grenzen individueller Trauminterpretation zu überwinden.
In den von Beradt zwischen 1933 und 1939 gesammelten rund 300 Träumen vermitteln zahllose Beispiele bereits 1933 Bilder eines Schreckens, der sich im Rückblick als Holocaust erweisen sollte. Lawrence stimmt mit Beradt darin überein, „dass diese Träume nachweislich weder Produkte vergangener noch gegenwärtiger innerer Konflikte sind“ (Lawrence 1998, S. 16). Vielmehr resultieren diese Träume „direkt aus der politischen Atmosphäre, in der diese Menschen gelebt haben. (…) Es sind beinah bewusste Träume“ (Beradt 1966, S. 19). Nach der ersten Lektüre der Träume von Charlotte Beradt begann Lawrence zuversichtlich mit dem Gedanken zu spielen, eine Gruppe zusammenzubringen, die „sozial träumen“ sollte … (Lawrence 1998, S. 17)
„‚Social Dreaming‛ hat eine lange Vergangenheit, aber eine kurze Geschichte“, meint der Begründer einer neuen Methode der Arbeit mit Träumen (Lawrence 1998, S. 142). Seit jeher haben Menschen gewusst, dass Träume über den individuellen Kontext hinaus Bedeutung haben. Schon das assyrische Traumbuch berichtet von Ereignissen aus dem sozialen oder politischen Umfeld von Träumenden und Karl IV. träumte konkret den Tod eines Verwandten voraus, um hier nur zwei historisch verbriefte Quellen für den möglichen sozialen Informationsgehalt von Träumen anzuführen.In seiner Rolle als Leiter des „Group Relations Programme“ am Londoner Tavistock Institute of Human Relations bemerkte W. Gordon Lawrence bereits Ende der 70er-Jahre die soziale Dimension der Träume in der eigenen Arbeit.
Die in Gruppen geäußerten Träume wiesen vielfach „über den Rahmen des persönlichen Lebens hinaus“ (ebd., S. 14). Lawrence wusste aus Berichten des Anthropologen Kilton Stewart von dem seit über 300 Jahre völlig friedliebenden malaysischen Stamm der Senoi, der vielfältige Möglichkeiten entwickelt hatte, die „hyper-individuelle Dimension der Träume“ (Morrien 1996) bzw. die soziale Dimension der Träume auch in Erziehungsfragen anzuwenden (vgl. Lawrence 1998, S. 37).Nachdenklich stimmten Lawrence außerdem C.G. Jungs Visionen kommender politischer Ereignisse, etwa die Ankündigung des Ersten Weltkrieges im Sommer 1913 durch furchterregende innere Bilder. Bis zum Kriegsausbruch hatte Jung jedoch zeitweilig an eine drohende Psychose geglaubt, da die individuell ausgerichteten Traumkonzepte der Psychoanalyse eine soziale oder politische Deutung nicht vorsahen (vgl. ebd., S. 15).
Aber erst die Entdeckung von „Das Dritte Reich des Traums“ von Charlotte Beradt überzeugte Lawrence von der Notwendigkeit, die engen Grenzen individueller Trauminterpretation zu überwinden. In den von Beradt zwischen 1933 und 1939 gesammelten rund 300 Träumen vermitteln zahllose Beispiele bereits 1933 Bilder eines Schreckens, der sich im Rückblick als Holocaust erweisen sollte. Lawrence stimmt mit Beradt darin überein, „dass diese Träume nachweislich weder Produkte vergangener noch gegenwärtiger innerer Konflikte sind“ (Lawrence 1998, S. 16). Vielmehr resultieren diese Träume „direkt aus der politischen Atmosphäre, in der diese Menschen gelebt haben. (…) Es sind beinah bewusste Träume“ (Beradt 1966, S. 19).Nach der ersten Lektüre der Träume von Charlotte Beradt begann Lawrence zuversichtlich mit dem Gedanken zu spielen, eine Gruppe zusammenzubringen, die „sozial träumen“ sollte … (Lawrence 1998, S. 17)
1.2 Skizzierte Chronologie –
Die entscheidenden Entwicklungsstadien in der Praxis
1.2.1 1982 „Wagnis in Social Dreaming: Das erste Experiment“
(Lawrence 1989, S. 76)
Patricia Daniel, Psychoanalytikerin und Kollegin von Lawrence am Tavistock Institute, prägte für das erste Experiment den Begriff „Matrix, abgeleitet von Uterus, (…) ein Ort (…), aus dem heraus etwas wachsen kann“ (Lawrence 1998, S. 17). Lawrence griff den Vorschlag auf, um sich von herkömmlichen Traumgruppen abzugrenzen, in denen der Fokus auf den Beziehungen innerhalb der Gruppe lag. Die Matrix signalisierte demgegenüber das Interesse an der sozialen Dimension, die durch die Träume der Teilnehmer vermittelt werden sollte (vgl. ebd., S. 18).
Die „Soziale Traummatrix“ wurde siebenmal mit 13 Teilnehmern und Teilnehmerinnen für die Dauer von 90 Minuten durchgeführt. Die Teilnehmer/-innenstruktur war nach Alter, Geschlecht, religiösem Hintergrund, Berufsgruppen und Verantwortungsebenen gemischt. Es wurden insgesamt 26 Träume mitgeteilt und besprochen.
Das Hauptanliegen des Projektes bestand darin, zu den Träumen der Teilnehmer/-innen Assoziationen und Interpretationen zu entwickeln, und das mit Blick auf die soziale Dimension der Träume (vgl. Lawrence 1989, S. 77). Am Ende dieser ersten Veranstaltungsreihe „kann mit mehr Sicherheit angenommen werden, dass es möglich ist, Träume zu haben, die von unbewussten Befürchtungen und Ängsten gegenüber der Gesellschaft sprechen, in der wir leben“ (ebd., S. 80).
1.2.2 1988-90 Internationale Erfahrungen
mit Social Dreaming
Von 1988 bis 1990 wurde Lawrence von interessierten Kolleginnen und Kollegen nach Israel, Deutschland, Schweden, England und Australien eingeladen, um auch dort Social-Dreaming-Programme durchzuführen.
Beispielhaft werden hier Erfahrungen und Ergebnisse aus Israel und Deutschland gegenübergestellt. Australien erscheint mit dem Hinweis auf die traumzentrierte Kultur der Aborigines.
Israel 1988
Lawrence arbeitete in Israel mit 32 Teilnehmer/-innen, von denen 29 israelische und drei anderer Staatsangehörigkeit waren. Im Laufe der viertägigen Veranstaltung wurden zwischen sechzig und siebzig Träume eingebracht.
Die Träumenden berichteten etwa „voneinander getrennten Menschen und dem Geruch alter Kleidung“ und von „Mäusen“ (Lawrence 1998, S. 19 ff.). Die historische Dimension schimmert hier deutlich durch über nahe liegende Assoziationen von Auslese und Vernichtung „der Ratten“, wie die Nazipropaganda Juden im Dritten Reich diffamiert hatte.
Ein alter Mann, der nie geträumt hatte, kam eines Morgens mit gleich drei Träumen. Alle datierten weit zurück in die Zeit des britischen Mandats kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Hier war neben der allgemeinen Offenheit für das Phänomen Traum auch Lawrence in seiner Präsenz als Brite am unverhofften Traumerlebnis beteiligt.
Eine Übertragung hatte stattgefunden und konnte in dem alten Mann die verloren geglaubte Erinnerung an das eigene Erleben in seinem historischen Kontext auslösen. Bis dahin war Lawrence davon überzeugt gewesen, dass „Übertragung in der Sozialen Traummatrix so gut wie keine Rolle spielt bzw. sah ich nicht, wie diese im Rahmen der Matrix genutzt werden könnte, ganz im Unterschied zu einer konventionellen Traumgruppe, wo Übertragung ein wesentlicher Bestandteil des gemeinsamen Erlebens ist“ (ebd., S. 21).
Es wurden aber auch Fragen träumend aufgeworfen, die sich mit aktuellen politischen Themen auseinandersetzten. Hier zeigten sich in den Beiträgen Gefühle von Zerrissenheit innerhalb der eigenen Erfahrung von Verfolgung und dem Umgang mit der „Intifada“. In der Diskussion erklärten die Teilnehmer/-innen, die Identifikation mit dem Aggressor sei hier „ein wirkliches Phänomen“ (ebd., S. 22).
Lawrence fand am Ende des Programms „die besondere Situation des Staates Israel und seine einmalige politische Situation im Nahen Osten auf profunde Weise dargestellt“ (ebd., S.23).
Deutschland 1989
Im Jahr der Wiedervereinigung, aber noch vor dem Fall der Mauer, präsentierten die Traumerlebnisse der Teilnehmer/-innen einen nahezu geschichtslosen Raum. Das galt auch für die Mehrzahl der älteren unter ihnen, von denen Lawrence andere Beiträge erwartet hätte. Nur ein Teilnehmer brachte politische Fragestellungen über seine politische Tätigkeit in einem faschistischen südamerikanischen Staat ein, die sich in seinen Träumen widerspiegelten. Lawrence vermutete hier eine Verlagerung deutscher Vergangenheitserfahrungen. Erst gegen Ende des Programms tauchte das Bild eines „Friedhofes mit drei Buchen (auf), auf dem kein Mensch war“ (ebd., S. 24). Nach einer Weile gemeinsamer Suche nach der Bedeutung des Traumes assoziierte jemand: „Das ist es, drei Buchen – Buchen – Buchenwald.“ (ebd.) Im Anschluss daran ergaben sich Gespräche über eigene Erfahrungen in der Vergangenheit und auch darüber, was sie hatten tun müssen, um diese Erinnerungen zu unterdrücken.
Bemerkenswert aus dem deutschen Programm ist außerdem der Traum einer Teilnehmerin von einer „Frau mit Tiegel-Nase und Posaunen-Ohr, die auftaucht, als einer anderen Frau das Kind gestohlen wird. Die fabulöse Frau wird von Männern und wilden Tieren verfolgt, die sie jedoch abschütteln kann. (…) Eine Bombe fällt. Staub und Gas. Sie versucht das Baby und sich selbst zu retten. Es riecht wunderbar. Eine Explosion, aber sie entkommt.“ (ebd., S. 25)
Die Assoziationen der Teilnehmer fielen seinerzeit eher apokalyptisch aus. Rückblickend meint Lawrence, der Traum hätte bereits 1989 „mit etwas Wohlwollen“ als ein Hinweis auf die Wiedervereinigung und die damit verbundenen bedrohlichen Fantasien verstanden werden können. Fantasien, die mit dem Gedanken an eine mögliche Wiedervereinigung verbunden waren und die für die Angst vor wiederholter Kriegserfahrung standen (vgl. ebd.).
Australien 1989
Auffallend war die Begeisterung der australischen Teilnehmer/-innen für die Aborigines als Träumer/-innen. Am Seminar nahm jedoch kein Aborigine teil. Der den australischen Kontinent beherrschende Mythos ist jedoch der der Aborigines, genannt „Dreamtime“. Danach war die Erde „vor langer Zeit flach und konturlos. Die Erde war mit Giganten bevölkert, halbmenschliche Wesen, die wie Tiere waren, sich aber auch wie Frau und Mann benahmen. Sie waren aus der Erde gekommen, wo sie für tausende von Jahren geschlummert hatten. Diese Traumzeit-Helden taten all das, was Aborigines heute tun. Aber die Traumzeit nahm ein Ende, und, wo diese Schöpfer/-innen zuvor aktiv gewesen waren, hatte das Land Form angenommen: ein einsamer Hügel, ein Flusslauf und andere Naturphänomene entstanden …“ (Lawrence 1998, S. 26)
Dieser Mythos ähnelt in vielen Teilen den europäischen Mythen, etwa den griechischen der Göttinnen und Götter vom Olymp, die im antiken Griechenland lebten und Berge und Vulkane schufen, oder auch dem nordischen Mythos der Schöpfung des Universums durch Göttinnen und Götter. „Traum und Mythos sind unerbittlich miteinander verbunden und es scheint akzeptiert zu sein, dass das Leben, wie wir es heute leben, einst in einen Traum eingebettet war.“ (Roberts & Mountford, S. 9.)
Hinweis:
Teil II folgt am 8.12.2006
Literaturangaben und weitere Informationen auf Anfrage: