Wie ich einen viel diskutierten Film ohne Ton ansah und zu ganz eigenen Eindrücken gelangte. Ein Experiment der Wahrnehmungsforschung zu einem Film wider das Kulttabu von Frauen in der katholischen Kirche: „’Da Vinci Code“
Gerade erst haben wir in gemütlichen Kinosesseln Platz genommen und schon fällt der Ton aus. Das sei Teil des Experimentes, sagt der Forschungsleiter. Wir sind irritiert, lassen uns aber nicht die Laune verderben. Wir bleiben einfach sitzen und sehen uns den Überraschungsfilm eben ohne Beschallung an.
Zwei Stunden später werden wir aufgefordert aufzuschreiben, worum es in dem Film ging. Ich bin mir nicht ganz schlüssig. Aber diskutieren ist nicht angesagt, das sei eine Stillübung, heißt es, die wir einzeln erledigen müssten. Nun denn, denke ich und bin dann ganz bei mir, meinen Film zu erzählen:
Da sind an erster Stelle dieser sympathische Endvierziger und eine schöne junge Frau zu erwähnen. Er mit faltiger Stirn, ein Forscher auf Vortragsreisen, der sich mit Symbolen befasst. Sie ist, mit ihren wunderbar mandelfarbenen Augen, eine Person fester Schritte, die offenbar Codes entschlüsselt.
Die Story spart nicht mit imposanten Kulissen: Auf Schlössern und Burgen treffen sich Kleriker, um irgendetwas auszuhecken. Mittelalte und alte Patriarchen, befasst wohl mit Geschäften der höchsten Ebene, denn Rom wird eingeblendet, immer wieder. Der Vatikan und auch der Louvre mit berühmten Bildern eines Großmeisters der Renaissance.
Sowie die beiden Protagonisten etwas entdeckt haben, sind sie auf der Flucht. Vor einem ständig übermüdet wirkenden Polizisten, sehr brutal. Tauchen sie unter im nächtlichen Paris, verfolgt von einem schlurfenden Kalkgesicht in Kutte. Der, durch Selbstgeißelung gefühllos geworden, auf Geheiß mordet, seinem Kirchenoberen vollkommen ergeben.
Ein älterer Herr im Schlafrock, sehr wohlhabend, gewährt den beiden abendlich Zuflucht. Erklärt ihnen, was sie zu verblüffen scheint, derweil ich den ausholenden Blick auf ein berühmtes Gemälde des Abendmahls genieße. Mit Jesus in der Mitte und einem Jünger ihm zur Rechten, der mich da ungewohnt feminin anmutet.
Da plötzlich weiß ich, was ich sehen soll: Außer der jungen Schönen taucht keine einzige weitere Frau auf in diesem Film. Nur noch im Rückblick als schmerzverzerrte Fratzen im Feuer zu Zeiten der Hexenverfolgungen. Und als steinernes Antlitz vergangener kultischer Hoheit auf den Sarkophagen europäischer Kirchen und Krypten, kalt.
Immerhin überlebt diese eine Protagonistin im Film das moderne Komplott mit einem Lachen und in Würde. Das stimmt mich milde, wirklich wahr, zumindest für den Augenblick. Zumal der Ton hier einsetzt und verrät, sie stünde in Marias weiblicher Nachfolge, als Christi gleichberechtigte Gefährtin. Und ich mich sogleich frage, was bloß mit Magda ist…
Hinweise:
Der Film: „Da Vinci Code“, USA 2006
Das dem offiziellen Filmstart vorgeschaltete Forschungsprojekt ist in dieser Form bisher einmalig und fiktiv. Es wurde gefördert aus Drittmitteln des Himmels.
Belebend blasphemisch:
„Da die katholische Kirche Probleme mit der Homosexualität hat, schickt der ‚Da Vinci Code’ doch eine gute Nachricht um die Welt: ‚Jesus war nicht schwul.’ “
Ian McKellen in der Rolle des „älteren Herrn“, Sir Leigh Teabing.
Zitiert nach Verena Lueken in „Fürchtet euch nicht“, einer sehr lesenswerten Rezension zum Film in der FAZ vom 18. Mai 2006.
Mehr: www.faz.net/da-vinci-code
Abschließend anregend:
Wie anders lebte es sich wohl als Frau in Verantwortung mit einer denkbar ausgewogenen Filmkultur, die beide Geschlechter gleichermaßen facettenreich in ihren verschiedenen Lebensphasen, Berufsrollen und Lebenskonzepten spiegelte und so in ihrem jeweiligen Selbstkonzept stärkte?!